Wir tauchen ein in die Schachwelt
Vielleicht möchtest du einen Blog oder eine Sprachlernchallenge starten, vielleicht geht es auch um deine nächste Geschichte oder einen wissenschaftlichen Artikel. Wer regelmäßig schreiben möchte, muss sich oft mit dem Thema auseinandersetzen: Wie finde ich zu einem passenden Thema? Für diesen Artikel tauchen wir einmal in die Schachwelt ein und schauen, was Großmeisterinnen wie Susan Polgar und Elisabeth Pähtz und Internationale Meister wie Jonathan Carlstedt und Levy Rozman gemacht haben.
Faktoren: Vorkenntnisse und Interesse
Vor kurzem habe ich jemandem den halb-hilfreichen Tipp gegeben „schreib am besten über etwas, wovon du Ahnung hast“. Prinzipiell ist das natürlich ein sinnvoller Tipp. Wieso sollte ich beispielsweise anfangen über Alternativen zu Hafermilch in einem bestimmten Rezept schreiben, wenn ich nicht genügend darüber weiß und auch kein Interesse habe, darüber mehr zu lernen? Es geht also nicht nur um Ahnung, sondern auch das Interesse daran, sich mit dem Thema (oft regelmäßig oder über einen längeren Zeitraum) auseinandersetzen zu wollen. Eine wichtige Frage ist auch, zu welchem Thema du genügend Material findest, um darüber schreiben zu können.
Das Thema kleiner fassen
Gleichzeitig ist der Tipp aber auch so „on the nose“. Für mein Hafermilch-Beispiel musste ich mich gerade richtig anstrengen, weil ich in keinen tausend Leben darauf gekommen wäre, über so ein Thema schreiben zu wollen. Vielleicht suchst du nach einem Thema für einen Blog und du liebst Schach, denn ist Schach vielleicht ein großartiges Thema für dich. Nun kommt aber der etwas schwierigere Teil: Worüber genau beim weiten Thema Schach willst du schreiben?
Worüber schreiben andere im Bereich Schach?
GM Susan Polgar promotet momentan ihr Buch „Rebel Queen: The Cold War, Misogyny and the Making of a Grandmaster” (2025). Sie hat sich dazu entschieden, in ihrem Buch über ihr Leben zu schreiben. Zur Zeit ihrer aktiven Schachprofi-Karriere sprengte Susan Polgar viele „das können Frauen im Schach nicht“-Glaswände, wie z.B. der erste Großmeister-Titel, der von einer Frau über Normen und Rating erreicht wurde, und zeigte der Schachwelt, was Frauen tatsächlich alles schaffen können. Ihr Leben ist eine Inspiration für viele Mädchen und Frauen im Schach weltweit. Da ergibt es Sinn, in einem Buch über ihr Leben zu sprechen.
IM Levy Rozman (GothamChess) hat viele Jahre als Schachtrainer in New York gearbeitet und hat dabei viel mit sehr jungen Kindern zu tun gehabt. Als Einstieg in die Content Creator Welt des Schachs ergab es für ihn sicherlich Sinn, seine ersten Inhalte so zu gestalten, dass er Anfänger*innen etwas beibringt. Es kommt deshalb nicht als Schock herauszufinden, dass sein erstes Buch „How to win at chess“ (2023) für Anfänger*innen und leicht fortgeschrittene Spieler*innen ist und einen Einstieg ins Schachspiel bringen soll.
Play to your strengths: Stärken kombinieren
In so einem breiten Feld wie Schach ist es auch einfach, das Thema mit den eigenen Stärken zu kombinieren. Eines der faszinierendsten Schachbücher, das ich bisher gelesen habe, ist beispielsweise „Psychology in Chess“ (1976) von GM Nikolai Krogius. In dem Buch geht es, wie der Titel schon verrät, um diverse Berührungspunkte zwischen den Themen Psychologie und Schach. Für jemanden, den Psychologie sowieso fasziniert bzw. der vielleicht auch Fachkenntnisse aus dem Gebiet hat, würde sich ein solches Buch wohl viel einfacher schreiben als für jemanden, der sich ausschließlich mit Schacheröffnungen und Taktik auseinandersetzt und keinen Moment damit verschwenden möchte, über Psychologie nachzudenken.
Klein anfangen und Themen durchtesten
Etwas, was ich immer wieder gelernt habe, ist, eine Mammutaufgabe wie „ich brauch das perfekte Thema“ in kleinere Portionen aufzuteilen. Das nächste Thema muss noch nicht perfekt sein. Bevor du aber eine ganze Doktorarbeit über ein neues Thema schreibst, bei dem du dir noch nicht sicher bist, ob es für dich passt, mag es sinnvoll sein, erstmal mit kürzeren Texten das Wasser zu testen. Bevor es daran geht, einen ganzen Blog zum Thema Schach zu starten, warum nicht erstmal einen einfachen Artikel schreiben und gucken, wie das so gefällt? Treten wir für einen Moment aus der Schachwelt heraus und schauen, was andere Leute, die mit Content Creation Geld verdienen, machen.
Chris Do, mittlerweile vor allem für seine Bildungsinhalte zu Design und Business bekannt, verwendet seine Social Media-Kanäle oft als Testboden. Erst postet er in einem kleinen Rahmen in den Sozialen Medien über ein Thema und wenn das Thema gut ankommt und das Thema für ihn passt, dann erstellt er längeren Content dazu. So kommt es vom Tröpfchen zum Bächchen zum Fluss, zum rauschenden Wasserfall. Es überrascht dabei kaum, dass Chris Do’s erstes Buch „Pocket full of Do“ eine Sammlung zu Design und Business-Themen aus seinem Leben ist.
Die Internetlinguistin Gretchen McCulloch hatte damit angefangen, Artikel für ein allgemeineres Publikum über Linguistik zu schreiben. Dass ihr Buch „Because Internet: Understanding the New Rules of Language” (2020) sich gerade an ein allgemeineres Publikum wendet, aber gleichzeitig im Bereich Sprachen bleibt, ist da auch kein Wunder. Um aber bei diesem Thema für ihr Buch ankommen zu können, hat sie über viel Zeit über sehr unterschiedliche Themen im Bereich Sprache geschrieben.
Für wen willst du schreiben und wie willst du dich positionieren?
Teil der Frage nach dem Thema ist auch, wer dein Publikum sein soll. IM Jonathan Carlstedt hat mit seinen Büchern „Die kleine Schachschule“ und „die große Schachschule“ beispielsweise besonders erwachsene Anfänger*innen im Blick, während wir mit „The Woodpecker Method“ von GM Axel Smith und GM Hans Tikkanen ein Buch haben, das mit relativ anspruchsvollen Taktikaufgaben am meisten etwas für bereits fortgeschrittenere Spieler*innen (bis zu professionellen Spieler*innen) bringt.
Einerseits geht es darum, zu gucken, welches Publikum man ansprechen möchte, aber auch, mit welchem Thema man an die Öffentlichkeit treten will. Möchtest du mit Eröffnungen in die Welt treten oder mit einem sozialen Thema? Möchtest du ein Thema in Angriff nehmen, das du als Trainer*in bei deiner Arbeit regelmäßig zu Augen bekommst? Hast du bei deinem eigenen Training ein Thema gefunden, dem nicht genügend Beachtung geschenkt wird?
Ein weiteres Beispiel: Das Buch von GM Elisabeth Pähtz „Wer den vorletzten Fehler macht, gewinnt: Strategien für das Spiel des Lebens“ (2022), wird für ein breiteres Publikum beworben. Es geht um ihr (Schach-)Leben, aber auch darum, was man davon für das Leben fernab vom Schachbrett nutzen kann.
Man kann auch mal ein Video über The Cow Opening machen 🙂
WFM Anna Cramling, die Tochter von GM Pia Cramling und GM Juan Manuel Bellón López, startete mit Content Creation schon recht jung. Ihre Inhalte wurden in den Zeiten, als es noch weitreichende Corona-Maßnahmen gab, weltweit bekannt. Sie kommentiert Weltklasse-Spiele, bespricht ihre eigenen Partien, macht bei vielen Projekten rund um Schach mit, streamt aber auch einfach mal ihre Blitzpartien und gönnt sich auch Späße wie die Kreation ihrer eigenen Eröffnung, The Cow Opening, die sie bei ihren Online-Partien auch immer wieder mal angewendet hat.
Etwas aus der Vielfalt der Möglichkeiten auswählen
Es gibt viele Themen, über die man schreiben kann, selbst wenn man sich bereits auf ein Oberthema, wie in diesem Fall Schach, festgelegt hat. Letztendlich muss man sich den Fragen stellen: Wen möchte ich ansprechen? Wie möchte ich mein Publikum ansprechen? Worüber kann ich schreiben (und finde dazu genügend Material)? Worüber möchte ich schreiben? Gibt es eine Lücke in einem Bereich, über den ich genügend weiß? Jetzt bist du dran: Du hast die Qual der Wahl.
Verweise
Carlstedt, Jonathan (2014): Die kleine Schachschule: Regeln, Strategien und Spielzüge verständlich erklärt. Hannover: humboldt Verlag.
Carlstedt, Jonathan (2017): Die große Schachschule: Vom Anfänger zum Turnierspieler. Gewinnen lernen in 10 Lektionen. Hannover: humboldt Verlag.
Cramling, Anna: Anna Cramling. Twitch-Channel: https://www.twitch.tv/annacramling [08.03.25].
Cramling, Anna (2020): Anna Cramling. Youtube-Channel: https://www.youtube.com/annacramling [08.03.25].
Do, Chris (2019): Pocket Full of Do. Santa Monica, USA: The Futur.
McCulloch, Gretchen (2020): Because Internet: Understanding the New Rules of Language. New York: Riverhead Books.
Krogius, Nikolai (1976): Psychology in Chess. RHM Press: Delaware.
Pähtz, Elisabeth (2022): Wer den vorletzten Fehler macht, gewinnt: Strategien für das Spiel des Lebens. Frankfurt am Main: Westend-Verlag.
Polgar, Susan (2025): Rebel Queen: The Cold War, Misogyny and the Making of a Grandmaster. New York: Grand Central Publishing.
Rozman, Levy (2023): How to win at chess. New York: Random House.
Smith, Axel & Tikkanen, Hans (2019): The Woodpecker Method. Glasgow: Quality Chess.